Ist auch Fahrradstraße drin, wo Fahrradstraße drauf steht?

Die erste Stufe der Fahrradstraßen in Nürnberg startete vor drei Jahren mit einem ziemlich einheitlichen, aber verhältnismäßig geringen Standard: „Rote Teppiche“ am Beginn und am Ende sowie an allen Kreuzungen.

Die erste Stufe der Fahrradstraßen in Nürnberg startete vor drei Jahren mit einem ziemlich einheitlichen, aber verhältnismäßig geringen Standard: „Rote Teppiche“ am Beginn und am Ende sowie an allen Kreuzungen; außerdem sind die Fahrradstraßen in aller Regel vorfahrtsberechtigt. Manchmal wurde anlässlich der Einrichtung einer Fahrradstraße auch die Asphaltdecke saniert. Autoverkehr ist aber weiter überall zugelassen, gelegentlich allerdings auf die „Anlieger“ beschränkt. Und vor allem blieben die Autoparkplätze weitgehend erhalten, manchmal durch neue Markierungen etwas geordneter als vorher. Weitere Maßnahmen sollten aber erst dazu kommen, wenn Erfahrungen gesammelt und die Maßnahmen „evaluiert“ werden konnten.

Nach drei Jahren hat das Verkehrsplanungsamt nun eine erste „Evaluation“ vorgelegt und dem Runden Tisch Radverkehr am 05.10.2022 präsentiert, siehe hier.

Danach ist in den Fahrradstraßen aus Sicht der Verkehrsplanung „die Welt ziemlich in Ordnung.“ „Fahrradstraßen als wichtiges Element in der Radverkehrsplanung (Sichtbarmachung, Umdenken findet statt)“ lautet das Fazit.

Wir teilen diese Einschätzung nicht, wir sehen im Gegenteil Nachbesserungsbedarf und wünschen uns dafür eine wesentlich bessere Datengrundlage. Die Vorlage der Stadtverwaltung reicht uns nicht. Warum?

1. Geschwindigkeit der Kfz

Das Verkehrsplanungsamt orientiert sich bei der Beurteilung der Situation an der sog. „Beanstandungsquote der Kommunalen Verkehrsüberwachung“: wie viel Prozent der Kfz fahren schneller als „Tempo 30“? Dabei werden von den tatsächlich gemessenen Geschwindigkeiten 3 km/h abgezogen, um bei Bußgeldverfahren auf der sicheren Seite zu sein, wenn mögliche Ungenauigkeiten bei der Messung eingewandt werden. Zur Beurteilung der Situation aus Radler*innen Sicht macht dies aber keinen Sinn. Schon mit Tempo 30 sind Kfz deutlich schneller als die Masse des Radverkehrs. Bei solchen Geschwindigkeiten kann nicht mehr davon die Rede sein, dass der Kfz-Verkehr in Fahrradstraßen nur „zu Gast ist“ und sich dem Radverkehr anpasst. Darum interessiert uns auch, wie sich die Geschwindigkeiten der Kfz verteilen. Stimmt unser Eindruck, dass sie überwiegend nah bei der zugelassenen Höchstgrenze (30 km/h) liegt, oder passt sich der Kfz-Verkehr doch an das übliche Fahrrad-Tempo an? Verkehrsplanungsamt und Baureferat scheinen auch zufrieden zu sein, wenn Tempo 30 ähnlich wie in Tempo-30-Zonen von mindestens 85% der Kfz eingehalten wird. Uns reicht das nicht: jedes siebte Kfz schneller als erlaubt, das nervt!

Die Hoffnung, dass allgemeine Tempo-30-Zonen zu einem sicher und angenehm zu befahrenden Radverkehrsnetz in Nürnberg führen würden, hat sich nicht erfüllt. Darum müssen in Fahrradstraße deutlich höhere Ansprüche erfüllt werden als in Tempo-30-Zonen.

2. Die Menge der Kfz

Das Verkehrsplanungsamt zieht als positives Fazit: Anteil Kfz nicht zugenommen – Radverkehrsanteil tendenziell gestiegen. Wir sind nicht so bescheiden. Mehr als ein Auto in der Minute (also über 1.000 Kfz in 16 Stunden) vermitteln nicht das Gefühl in einer Straße zu sein, in der wir locker radeln können. Von den sieben Fahrradstraßen, zu denen überhaupt Zählergebnisse vorliegen, blieb nur eine knapp unter 1000 (Sperberstraße 933 Kfz in 16 Stunden), die höchste Zahl wurde in der Muggenhofer Straße mit 1423 Kfz in 16 Stunden gezählt. Auch hier sind natürlich genauere Zahlen interessant: wie oft wurde gezählt? Wie verteilten sich die Kfz-Zahlen über den Tag? Wie dicht ist der Autoverkehr während der Verkehrsspitzen?

3. Ist nebeneinander fahren wirklich möglich?

Einer der Vorteile von Fahrradstraßen ist, dass wir hier immer nebeneinander fahren dürfen. Aber wieweit können wir das tatsächlich, wenn uns Kfz begegnen? Warten entgegenkommende Kfz ab oder wird erwartet, dass wir möglichst weit rechts und ggf. eben hintereinander fahren? Und in welchem Maße ergeben sich Behinderungen und Gefährdungen durch parkende Kfz auf der rechten Seite, also in der Spur der Radfahrenden? Dazu finden sich in der Evaluation keine Angaben. Im Mobilitätsbeschluss von Januar 2021 heiß es: „Verkehrsbeobachtungen sollen helfen, punktuelle Problemstellen … zu erkennen und zu verbessern.“ Das muss jetzt in den Fahrradstraßen stattfinden!

4. Wird der Abstand beim Überholen und Begegnen eingehalten?

Auch in Fahrradstraßen müssen Autos mindestens 1,50 m Abstand beim Überholen von Rädern halten. Wird das eingehalten und darum ggf. auf das Überholen verzichtet? Viele haben diesen Eindruck nicht. In der Evaluation fehlt dieser Punkt.

5. Wie sieht es am Ende von Fahrradstraße vor Ampeln aus?

Manche Fahrradstraßen enden vor Ampeln mit leider ziemlich langen Rot-Phasen (z.B. Dientzenhofer Straße). Hier stauen sich dann die Kfz so, dass Radler*innen nicht nach vorn durchfahren können. Hat so etwas noch den Namen Fahrradstraße verdient.

Wir haben auch Ideen, was zur Verbesserung der Situation getan werden könnte. Darüber lässt sich besser diskutieren, wenn eine gute Datengrundlage vorliegt. Aber wenn die nicht bald kommt, muss rasch auch ohne Daten aufgrund der bisherigen Beobachtungen, Rückmeldung, ja auch Vermutungen entschieden und gehandelt werden:

  1. Die Erkennbarkeit der Fahrradstraßen muss weiter gesteigert werden
  2. Durchgangsverkehr mit Kfz sollte ausgeschlossen werden, wie es bisher im Hummelsteiner Weg und in der Humboldtstraße versucht wird.
  3. Die Fahrbahn muss deutlich durch Trennstreifen vom Parkraum abgetrennt werden
  4. Die Räume für zulässiges Parken müssen beschränkt werden
  5. Zweirichtungsverkehr mit Kfz sollte es in Fahrradstraßen nur geben, wo es unvermeidlich ist.
  6. Beginn und Ende sowie Unterbrechungen von Fahrradstraßen müssen noch fahrradfreundlicher gestaltet werden.

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Fahrradstraße

Copyright: Hermann Roß

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